Möhren für den König

Ein Kamel auf dem Weg zum Stall in Bethlehem

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Das Kamel kennt sich mit Sternen aus. Es hat Menschenfreunde, die einem besonderen Stern folgen. Aber was wollen sie mit den Möhren?

Ach, die Menschen! Die schauen nächtelang in den Himmel! Sie beobachten die vielen Lichter und reden ständig darüber, ob diese Lichter etwas mit ihnen zu tun haben. Dabei weiß doch jedes Kamel, dass das einfach Sterne sind!

Aber meine Menschenfreunde meinen, sie kennen sich besonders gut aus mit den Sternen. Gestern sind sie völlig durchgedreht. Sie haben gesagt: „Da ist ein neuer Stern!“

Jetzt mal ehrlich: Es gibt so viele Sterne. Einer mehr oder weniger macht doch das Kamel nicht fett! Aber sie waren ganz aufgeregt und haben gesagt: „Das gab’s noch nie! Das hat etwas zu bedeuten! Da passiert etwas ganz Einzigartiges!“

Und dann haben sie schnell ihre Fernrohre und Instrumente und Schriftrollen eingepackt und haben mich geweckt – mitten in der Nacht. Sie haben gesagt: „Der Stern bewegt sich, er zeigt uns vielleicht einen Weg – wie ein Wegweiser.“

So ein Quatsch, habe ich gedacht. Ein Stern bewegt sich nicht. Genau wie ich, wenn ich tief und fest schlafe. Aber tatsächlich: Es sah wirklich so aus, als ob der Stern sich ganz langsam bewegt. Meine Menschenfreunde haben sich auf dem Weg unterhalten. Einer hat gesagt: „Wenn ein neuer Stern aufgeht, dann wird ein neuer König geboren.“

Darum mussten wir unterwegs noch einkaufen: Geschenke für den neuen König. „Gold, Weihrauch und Möhren“, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Möhren sind hoffentlich für mich! Denn was will denn ein König mit Möhren?

Wir sind dann irgendwann im Palast angekommen. Da war ein Schild, auf dem war ein Kamel drauf – und darunter stand: Wir müssen draußen bleiben! Da habe ich gewusst: Wir sind hier falsch. Und so war es auch. Im Palast gab’s keinen neuen König. Aber der alte König war ziemlich wütend, als er das mit dem neuen König gehört hat. Darum sind wir schnell abgehauen. Also sind wir immer noch unterwegs. Über uns tausend Sterne – und der eine ganz besondere Stern.

Schaut mal! Jetzt ist er stehen geblieben. Und ich auch. Was ist das? Ein Stall? Meine Menschenfreunde schauen sich ratlos an: „Kann das sein?“

Sie schleichen um den Stall herum. Einer von ihnen holt sein Fernrohr heraus und schaut in die Sterne. Der neben ihm breitet seine Schriftrollen auf dem Boden aus als würde er nach etwas suchen. Der Dritte hat sich hinter den Stall geschlichen und lauscht, was in dem Stall vorgeht.

Da sehe ich, wie die Stalltür einen kleinen Spalt aufgeht. Eine Frau sieht mich an. Sie sieht glücklich aus. Sie zwinkert mir zu und winkt mich zu ihr. Ich schaue hinter mich. Da ist niemand sonst. Sie meint wirklich mich! Ich gehe auf sie zu.

Als ich bei ihr ankomme, merke ich, wie warm es im Stall ist. Und hell. Und es duftet nach Heu. Und es liegt etwas in der Luft. Wie ein Funkeln. Auf einmal spüre ich eine kleine Hand in meiner Mähne. Sie streicht mir zärtlich durchs Fell.

Da sehe ich in der Futterkrippe ein Baby liegen. Seine Augen funkeln wie Sterne. Sein Lächeln hat mich sofort verzaubert. Das ist es! Das ist der neue König! Mein Herz hüpft vor Freude. Und ich rufe meine Menschenfreunde: „Hier ist er! Schnell, holt Möhren für den neuen König!“